BlickWechsel - Christlich-.jüdischer Dialog

Was im christlich-jüdischen Dialog (nicht) gelernt wurde

Einen geschichtlichen Überblick und eine gegenwärtige Beurteilung des christlich-jüdischen Dialogs gab Prof. Dr. Ursula Rudnick, Beauftragte für Kirche und Judentum der Landeskirche Hannovers im mit 30 Zuhörenden gut gefüllten Gemeindesaal von St. Trinitatis.

Seit einem Studium an der Hebräischen Universität in Jerusalem Mitte der 80er Jahre ist das Verhältnis von Christentum und Judentum sowie das jüdische Verständnis der Bibel Ursula Rudnicks Thema.

Fünf Punkte, so Rudnick, seien für den christlich-jüdische Dialog nach der Shoah relevant:

1. Schuld benennen

 Am 19. Oktober 1945 benannte die evangelische Kirche ihre Mitverantwortung für die Verbrechen des Nazi-Regimes im sogenannten Stuttgarter Schuldbekenntnis. Dieser allgemeinen Erklärung folgten Jahre später, als nicht mehr Opfer und Täter die handelnde Generation waren, konkretere Aussagen zu Schuld und Versagen. Erst Mitte der 70er Jahre wurde der Antijudaismus als zentraler Bestandteil christlicher Traditionen kritisch beleuchtet.

2. Antisemitismus erkennen

 In vielen Erklärungen (1963,1972,1988 und 1992 hat die EKD Erklärungen gegen Antisemitismus veröffentlicht. Leider klafften Erklärungen und Realität jedoch mit einem „garstigen Graben“ auseinander, der Antisemitismus sei in den Kirchengemeinden nicht weniger verbreitet als in der sonstigen Gesellschaft. Die Aufarbeitung und Bearbeitung von Antisemitismus sei nach wie vor erforderlich, in Kirchenleitungen müsse das Bewusstsein für das Thema geschärft werden, das sei nicht beliebig, sondern grundlegend für das christliche Selbstverständnis.

3. Bemühen um Wertschätzung

Die Katholische Theologie habe 1965 Jahre mit „Nostra Aetate“ das Verhältnis von Kirche und Judentum neu bestimmt, die Erneuerung der evangelischen Theologie sei durch eine neue Interpretation der Kapitel 9-11 des Römerbriefes begründet worden. Die Kirche stehe seitdem nicht mehr anstelle sondern neben Israel. Die jüdische Auslegung der Bibel sei, so Rudnick, ein vielstimmiger Chor und bereichere das eigene Verständnis des Christentums ungemein.

4. Mission aufgeben

Die Debatte um die sog. „Judenmission“ spaltete die Christlichen Kirchen und Gemeinschaften bis ins Jahr 200. Selbst 2013 habe sich beispielsweise die Hannoversche Landesynode nicht auf ein klares Nein zur Judenmissi9n verständigen können. Die EKD-Synode jedoch habe 2016 erklärt, dass „alle Bemühungen, Juden zu einem Religionswechsel zu bewegen, der Anerkenntnis der Erwählung des Volkes Israel widersprächen“. Jüdische Denker, wie der Philosoph Abraham Joshua Heschel formulierten jedoch deutlich, dass „aus jüdischer Perspektive die Absage an Mission von fundamentaler Bedeutung“ sei.

5. Der Staat Israel

Die jüdische Bindung an Land und Staat durchziehe als religiöse die Geschichte der Juden „Ha Shana habaa be Jerushalaim“ („Nächstes Jahr in Jerusalem“) – mit diesem Wunsch ende in jeder jüdischen Familie oder Gemeinschaft der Sederabend zum Pessachfest.

Gleichzeitig sei der heutige Staat Israel ein Zufluchtsort für alle Juden weltweit im Falle erneuter Verfolgung, durchaus aktuell, wie sich an den vielen französischen Juden zeige, die derzeit nach Israel zögen, weil sie sich in Frankreich nicht mehr sicher fühlten.

Die EKD zeige in ihrer Denkschrift „Gelobtes Land“ ein gelungenes Bemühen um Ausgewogenheit, in der Praxis gäbe es aber viele christliche Gruppen, die sich in einseitiger Parteinahme solidarisch mit den Palästinensern fühlten. Kritik an der Politik der israelischen Regierung sei nicht automatisch antisemitisch, die Bewegung BDS, die zum Boykott israelischer Waren aufrufe, sei aber ein Beispiel für eine problematische, ja auch antisemitische Parteinahme.

Als Fazit stellte Ursula Rudnick wünschte sich für die Zukunft, , dass das Thema „Kirche und Judentum“ in der Aus- und Fortbildung der Kirchen gepflegt und inhaltlich verankert werde.

Sie stellte fest, dass jede Generation immer wieder neu das Verhältnis von Kirche und jüdischem Volk gestalten müsse. Man dürfe sich nicht frustrieren lassen, durch das, was noch nicht erreicht sei. „Hartnäckig dranbleiben“ – so Ihr Aufruf zum Ende des Abends.

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